Im Interview: Vize-Eisschwimm-Weltmeisterin Yasmine Pliessnig

Wir haben viele begeisterte Eisschwimmer in unserer Community, weshalb wir uns mit dem Thema Eisschwimmen intensiver auseinendersetzen wollten. Dazu haben wir ein Interview mit Yasmine Pliessnig aus Wien, der ersten Frau Österreichs, die eine Eismeile geschwommen ist, geführt. Yasmin ist auch Rettungsschwimmerin bei der DLRG, Vizeweltmeisterin im Winterschwimmen über 1000m, mehrfache WM-Teilnehmerin im Eisschwimmen, Trainerin und Coach – für uns also die perfekte Wahl, um zu erfahren, was alles für das Thema Eisschwimmen relevant ist.

Bei Eisschwimmen ist das Wasser unter 5°C, beim Winterschwimmen kann die Temperatur auch höher sein

Constantin (Eisbaden.de): Was ist die Definition von Eisschwimmen und Winterschwimmen?

Yasmine Pliessnig: Wenn man das Ganze als Wettkampfsport betrachtet, dann geht es bei Eisschwimmen bei unter 5°C los, beim Winterschwimmen kann das Wasser auch wärmer sein. Beim Eisschwimmen wird zudem mehr Wert auf lange Distanzen zum Beispiel 1.000 Meter gelegt, wobei man auch kürzere Distanzen schwimmen kann. Beim Winterschwimmen sind es eher kürzere Strecken und etwas wärmeres Wasser vor allem bei den langen Strecken. Dadurch ist das Winterschwimmen auch gut zum Einsteigen geeignet.

Constantin (Eisbaden.de): Wie bist du zum Eisschwimmen gekommen? Sind es vor allem (Leistungs-) Schwimmer, die mit dieser Sportart starten?

Yasmine Pliessnig: Das ist eigentlich querbeet, man findet u.a. viele Triathleten bei dieser Sportart. Allerdings kann man schon sagen, dass auf Wettkampfniveau (WM) die schnellen Schwimmer alle aus dem Schwimmsport kommen. Für mich ist das schon einfacher, weil ich aus dem Schwimmsport komme und die Schwimmtechnik und die Geschwindigkeit drauf habe. Ich habe übrigens viele Schwimmkollegen, die sich niemals ins Eiswasser trauen würden.

Open Water Eisschwimmen @Yasmine Pliessnig

Die Eismeile ist der Mount Everest der Eisschwimmer

Constantin (Eisbaden.de): Was würdest du als den höchsten Gipfel betrachten, den man als Eisschwimmer erreichen kann?

Yasmine Pliessnig: Man sagt schon, dass die Eismeile über 1.600 Meter der Mount Everest der Eisschwimmer ist. Ich habe persönlich viele Erfolge, auf die ich stolz bin, aber die Eismeile und der Vize Weltmeistertitel sind schon meine größten persönlichen Erfolge.

Eisschwimm Weltmeisterschaft in Bled, Slovenien

Die Kilometerzeit verdoppelt sich beim Eisschwimmen

Constantin (Eisbaden.de): Geht es bei der Eismeile nur darum, anzukommen? Wie lange braucht man für eine Eismeile?

Yasmine Pliessnig: Man kann ungefähr sagen, dass man seine Kilometerzeit verdoppelt, da man im Eiswasser natürlich viel mehr Energie verbraucht als bei normalem Schwimmen. Normalerweise macht man die Eismeile nur einmal, es gibt aber auch Schwimme, die Eismeilen sammeln. Es gibt zum Beispiel die sogenannte Ice-7th: auf jedem Kontinent eine Eismeile schwimmen.

Constantin (Eisbaden.de): Ich würde noch einmal kurz auf dein Buch “Take off your clothes – go into the water” zu sprechenkommen. Du beschreibst darin sehr eindrücklich, wie wichtig es ist, in Extremsituationen auf seinen Körper zu hören. Du schilderst zum Beispiel, wie du den Eiskilometer abgebrochen und dich übergeben hast.

Yasmine Pliessnig: Gesundheit geht einfach vor. Nur weil ich einmal eine solche Distanz im Eiswasser geschwommen bin, ist es noch lange nicht der Fall, dass ich das jedes Mal schaffe. Das Ganze ist sehr tagesformabhängig und auch wenn es eine schwere Entscheidung ist, abzubrechen, kann man nicht gegen seinen Körper handeln. Aber es war damals 100% die richtige Entscheidung für mich. Und ich habe trotzdem eine Medaille von diesem Wettkampf mitgenommen!

Aufwärmen ist vermutlich das wichtigste Thema beim Eisschwimmen

Constantin (Eisbaden.de): Interessant fand ich auch, dass das Aufwärmen sehr langsam gehen muss, damit der Afterdrop nicht zu abrupt stattfindet. Du schreibst auch, dass das Warmzittern die wichtigste Methode ist. Wie wichtig ist das Thema Aufwärmen?

Yasmine Pliessnig: Das Aufwärmen ist irrsinnig wichtig, wenn nicht das wichtigste Thema beim Eisschwimmen. Bei Wettkämpfen ist das natürlich sehr entspannt, da man dort unterschiedlich temperierte Hot Tubs und warme Zelte hat. Beim Training ist es aber wesentlich schwieriger. Ich habe beim Training manchmal auch zu schnell aufwärmen wollen und dadurch kam es zum Beispiel beim Autofahren zu brenzligen Situationen, als ich nicht mehr bremsen konnte, weil mein Fuß durch die Muskelkontraktion beim Warmzittern verkrampft hat. Ich empfehle außerdem warme Getränke oder Müsliriegel (auch zuckerhaltig), um dem Körper schnell und effizient wieder Energie zuzuführen.

Constantin (Eisbaden.de): Was isst man vor so einem Eisschwimm-Wettbewerb?

Yasmine Pliessnig: Das ist individuell verschieden, manche essen gerne Nudeln oder Brötchen, manche Müsli. Ich esse sehr gerne Porridge, also Haferflocken. Die Nahrung sollte leicht verdaulich sein und viel Energie geben.

Es gibt zwei Verbände, die Unterschiede liegen hauptsächlich bei Distanzen und Temperaturen

Constantin (Eisbaden.de): Welche unterschiedliche Eisschwimm-Verbände und welche Disziplinen gibt es? Wie sieht es mit Regeln aus?

Yasmine Pliessnig: Es gibt zwei Verbände fürs Eisschwimmen: International Ice Swimming Association und International Winterswimming Association. Anfänglich gab es die Winterswimming Association. Diese hatte zum Beispiel die Regel, dass man den Kilometer nur schwimmen kann, wenn die Wassertemperatur über 5°C ist, da das Ganze sonst zu gefährlich ist. Dann wurde die Ice Swimming Association gegründet, die der Meinung war das geht doch, mit dem Kilometer auch unter 5°C Wassertemperatur. Der große Unterschied ist also bei der Temperatur, die bei der Ice Swimming Association niedriger auch bei längeren Strecken sein kann.

Von Sicherheitsreglements sind beide Verbände jedoch ähnlich. Man startet immer im Wasser, da der Kopfsprung zu gefährlich wäre. Einfetten ist bei beiden Verbänden verboten, da es ein Risiko wäre, weil die Teilnehmer im Notfall nicht mehr aus dem Wasser gezogen werden können.

Eisschwimm Weltmeisterschaft in Murmansk

In der ersten Eisschwimm-Saison nicht mehr als 200 Meter

Constantin (Eisbaden.de): Was würdest du Eisschwimmer-Neulingen von der Distanz und Wettkämpfen her raten?

Yasmine Pliessnig: Ich würde Anfängern raten, in der ersten Saison mit maximal 200 Metern zu starten, da kann man sich dann langsam hocharbeiten. In der 4. oder 5. Saison kann man auch den Kilometer in Angriff nehmen. Für die Eismeile sollte man erst einmal den Kilometer gut schwimmen können. Die Technik muss sitzen, ansonsten hat man in der Kälte keinen richtigen Vortrieb mehr.

Constantin (Eisbaden.de): Lass uns auch über medizinische Aspekte sprechen. Du beschreibst in deinem Buch die drei Stadien der Hypothermie: 1. Abwehrstadium mit Muskelzittern, 2. Erschöpfungsstadium mit getrübtem Bewusstsein und 3. Lähmungsstadium. Ist Hypothermie, also die starke Unterkühlung, ein Thema beim Eisschwimmen?

Yasmine Pliessnig: Ich habe das äußerst selten erlebt. Wir mussten bisher nur einen Schwimmer rausholen, der keine Kraft mehr hatte und nur auf der Stelle gerudert ist. Die Kräfte lassen natürlich sehr schnell nach durch die Kälte. Dass aber jemand bewusstlos durch die Kälte wird, habe ich persönlich noch nie erlebt, auch nicht in meiner Zeit als Rettungsschwimmerin. Maximal kommt es zum 1. Stadium, aber in den allermeisten Fällen ist es nicht schlimm.

Hypothermie und Tauchreflex kommen selten vor, man sollte jedoch darauf vorbereitet sein

Constantin (Eisbaden.de): Wird der Tauchreflex, also dass man nicht mehr Atmen kann, wenn der Kopf wieder aus dem Wasser ist, oft ausgelöst beim Eisschwimmen?

Yasmine Pliessnig: Den Tauchreflex habe ich auch hin und wieder erlebt, allerdings eher selten. Dieser kann insbesondere dann vorkommen, wenn man es nicht gewohnt ist, den Kopf in kaltes Wasser zu tun. Das hat dann zur Folge, dass man kurzfristig nicht atmen kann. Wenn man auftaucht und merkt, dass man nicht einatmen kann, einfach ausatmen – das geht immer. Wenn du anschließend einatmest, müsste es wieder funktionieren. Meist ist der Tauchreflex ja nur ein kurzer Schockmoment. Man sollte es aber auch trainieren, dass das Gesicht bzw. der Kopf der Kälte ausgesetzt ist. Ich habe schon von erfahrenen Eisbadern mitbekommen, dass sie den Tauchreflex hatten, weil sie es normalerweise nicht gewohnt sind den Kopf unter Wasser zu tun.

Constantin (Eisbaden.de): Was muss man beherrschen, um Eisschwimmen zu können?

Yasmine Pliessnig: Die Technik muss stimmen. Bei Leuten, welche die Schwimmtechnik nicht 100% beherrschen, ist das teilweise so, dass sie die ersten paar Bahnen noch sauber schwimmen. Und dann übergreifen sie und machen Fehler, schwimmen ineffizient. Das merkt man bei Anfängern sehr schnell. Bei guten Schwimmern ist es nicht so leicht zu erkennen, dass sie müde werden. Und das kann auch gefährlich sein, da der Second, also der Aufpasser, seinen Schützling gut kennen muss. Das ist besonders bei langen Distanzen sehr wichtig.

Eisschwimm WM in Burghausen
Eisschwimm WM in Burghausen

Sowohl Anfänger als auch Forgeschrittene können sich weiterentwickeln

Constantin (Eisbaden.de): Was machst du derzeit so?

Yasmine Pliessnig: Ich gebe Eisschwimm Kurse auf Keep on Cooling und auf meiner Seite IceSwimmingNow. Dort findet ihr mich und die Kurse, die wir anbieten. Wir haben einerseits Trainings für Einsteiger, aber auch advanced Kurse für Fortgeschrittene Eisschwimmer, die zum Beispiel ihre Technik verbessern möchten. Ganz neu haben Sonja Flandorfer und ich Eisschwimmen mit der Wim Hof Methode kombiniert – also was sind die Gemeinsamkeiten, was sind die Unterschiede, was kann man voneinander lernen. Dazu haben wir einen neuen Kurs, der über ein Wochenende geht, kreiert.

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