Aktuell ist Eisbaden in wie nie zuvor, doch auch Karl der Große (747-814) und Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) sollen schon praktizierende Eisbader gewesen sein. Auch Pfarrer Sebastian Kneipp hat mit kalten Wassergüssen gearbeitet. Allerdings lag hier die Wassertemperatur bei ca. 15 Grad.

In vielen Regionen geht Eisbaden oder auch Eisschwimmen auf eine lange Tradition zurück und selbst die Kinder werden dort damit groß. In der Ukraine, in Russland, Belarus waschen sich die Gläubigen der russisch-orthodoxen Kirche ihre Sünden beim Eisbad ab.

Auch in Norwegen ist Eisbaden sehr bekannt. Zahlreiche Badestellen laden im Winter dazu ein, dass man ein erfrischendes und gesundes Eisbad nimmt. Sogar Eisbadeclubs gibt es überall in Norwegen verteilt und auch die Reiseanbieter werben damit.

Alexandra Nau Eisbaden
Bildquelle: Alexandra Nau

In Österreich laden die zahlreichen Bergseen regelrecht zum Eisbaden ein. Auch hier haben sich mittlerweile viele Gruppen formiert, die regelmäßig ins eiskalte Nass springen. Auch in Deutschland lässt sich das Baden im eiskalten Wasser sehr gut praktizieren – Nordsee, Ostsee, Isar, Starnbergersee… Im Ruhrgebiet leider nicht ganz so gut, da viele Seen und Gewässer im Naturschutzgebiet liegen, aber man kann sich alternativ einen kleinen Badezuber auf die Terrasse oder den Balkon stellen und dort Eisbaden praktizieren.

Ich war vor 14 Jahren das erste Mal Eisbaden. Damals in der eiskalten Nordsee, auf Sylt. Seitdem habe ich keine Gelegenheit ausgelassen, ins kalte Nass zu gehen, wann immer es möglich war. Im letzten Jahr dann habe ich, zusammen mit meinem Sohn, einen Wim Hof Workshop besucht, um auch die Atemtechnik etwas zu verfeinern beziehungsweise neu zu erlernen. Wim Hof praktiziert eine Art holotropes Atmen. Man atmet dabei sehr schnell und intensiv und kann damit tatsächlich high werden und auch Emotionen auslösen.

Eine gute Atemtechnik ist wichtig, denn über die Atmung steuern wir einen Teil unserer Hormone mit

Über die Atmung können wir den Blutdruck beeinflussen, den Herzschlag und unser vegetatives Nervensystem. Atmen ist nicht einfach nur Luft ein- und ausschnauben. Atmung ist Leben, Atmung ist essentiell. Viele Dinge, die wir täglich routinemäßig machen, nehmen wir als selbstverständlich hin. Man macht sie einfach, ohne darüber nachzudenken, wie man diese Dinge macht. Dabei ist atmen wirklich so unglaublich wichtig für den gesamten Organismus.

Wir atmen nicht, um Sauerstoff aufzunehmen, sondern in erster Linie, um Kohlendioxid abzugeben. Denn nur wenn Kohlendioxid aus unserem Körper heraus kommt, kann Sauerstoff aufgenommen werden. Und nur wenn ausreichend rote Blutkörperchen und Eisen im Blut vorhanden ist, kann der Sauerstoff ordentlich durch den Körper zu den entsprechenden Organen transportiert werden.

Atmen wir ständig schnell und hektisch, signalisiert das dem Körper Stress

Schnelle Atmung ist für den Organismus gleichgesetzt mit jagen oder gejagt werden – wegrennen, um zu überleben, atmen, um zu überleben. Hektische und zu schnelle Atmung bedeutet auch, dass vermehrt Cortisol freigesetzt wird. Cortisol ist unser Stress- und Aktivitätshormon, es ist wichtig für den Stoffwechsel, für die Blutzuckerregulation, für das Immunsystem. Wird vermehrt Cortisol benötigt, raubt der Körper es nach recht kurzer Zeit vom Pregnenolon (Pregnenolon-Stealing Syndrom), um erst mal standhaft bleiben zu können. Pregnenolon ist quasi die Mutter der Hormone. Wir produzieren Gallensäure und Cholesterin und daraus bildet sich dann Pregnenolon, Progesteron, Cortisol etc… Kommt die Bildung der Hormone an seine Kapazitätsgrenzen, zapft es entweder am vorgeschalteten Hormon ab oder aber es versiegt nach und nach, so dass die Hormone sinken.

Einfach mal entspannen
Deshalb einfach mal entspannen und tief durchatmen – Bildquelle: Alexandra Nau

Wird zu lange, zu viel Cortisol ausgeschüttet, hat das für den Organismus negative Folgen

Nicht nur, dass das Pregnenolon geraubt wird, auch das Progesteron beginnt abzusinken und forciert so die Entstehung einer Östrogendominanz. Ein erhöhtes Cortisol hat den Nachteil, dass viel Wasser unter der Haut eingelagert wird, man schwemmt also regelrecht auf. Der Hypothalamus und die Hypophyse werden in ihrer Funktion gestört, so dass auch die Schilddrüse nicht mehr angesteuert wird, da das TSH wird gesenkt. Das ist ziemlich ungünstig, da die Nebennieren durch die Schilddrüse und durch das dort, durch Konversion aus T4, entstehende T3 mitgesteuert werden. Die Nebennieren haben recht viele T3 Rezeptoren und lassen sich morgens gerne von der Schilddrüse wecken. Wird das TSH durch das Cortisol gesenkt, funktioniert der Messpegel für die Schilddrüsenhormone nicht mehr. Das niedrige TSH signalisiert, dass ausreichend T4 und T3 vorhanden ist und nichts weiter produziert werden muss. Die Schilddrüsenhormone nehmen ab, sie sinken, so dass eine Schilddrüsenunterfunktion entsteht. Eine Schilddrüsenunterfunktion liegt auch dann schon vor, wenn ft4 und ft3 im 10% Bereich innerhalb der Norm liegen. Ein Mangel liegt also nicht erst dann vor, wenn ein Minus vor dem Messwert steht.

Von der Atmung zur Schilddrüse – alles hängt zusammen

Der durch den Atmungsstress entstehende Stress im Körper, in der Schilddrüse und in den Nebennieren fördert die Entstehung von entzündungsfördernden Zytokinen, welche ebenfalls den Hypothalamus und die Hypophyse in ihrer Funktion stören.

Die Cortisolausschüttung ist in der Regel auch immer damit verbunden, dass Glukose aus den Zellen ins Blut überführt wird. Das hat zum Ziel, damit Energie zu generieren. Energie, die theoretisch dafür gedacht ist weiter rennen zu können. Dumm nur, dass man gerade gar nicht schnell rennt, sondern einfach nur hektisch atmet, weil man schlicht und ergreifend falsch atmet. Somit kann der aus den Zellen gelöste Zucker auch nicht beim Rennen und laufen verbrannt werden, sondern bleibt ungenutzt liegen und sorgt hier diverse Probleme. Der überschüssige Zucker wird gerne als Bauch-/Hüftfett angelegt, um im Notfall darauf zurück greifen zu können. Ein Teil des überschüssigen Zuckers wird zudem zu Triglyceriden und zu LDL-Cholesterin umgewandelt und fördert über diesen Weg das Risiko eine Bauchspeicheldrüsenentzündung zu bekommen oder Arteriosklerose mit dem  Risiko einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Die Entstehung der Insulinresistenz wird massiv angeschoben und damit auch die Entstehung von Diabetes, mit all seinen Facetten.

Kommt es durch das Pregnenolonstealing zu einem Progesteronmangel, stört das die hormonelle Balance zwischen Progesteron und Östrogen. Es kommt zur Östrogendominanz. Dabei muss unterschieden werden, um was für eine Östrogendominanz es sich handelt. Östrogene können sich in der Norm befinden und dennoch dominant sein. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Progesteron gesunken ist und mengenmäßig nicht mehr zum Östrogen passt. Vergleichbar mit einer Linsensuppe, die überwiegend aus Kartoffeln besteht. Die andere Art der Östrogendominanz liegt dann vor, wenn tatsächlich viel zu viel Östrogen da ist. Es schießt dann über die Norm hinaus. Bei der dritten Variante der Östrogendominanz liegen beide Hormone im Minusbereich, passen aber dennoch mengenmäßig nicht zueinander. Therapeutisch drei vollkommen unterschiedliche Ansätze. Ein Östrogenmangel macht das Lungengewebe angreifbarer und erhöht das Risiko Asthma zu bekommen. Ein Östrogenüberschuss triggert die Mastzelle an, welche dann vermehrt Histamin freisetzt. Das Histamin lässt das Gewebe anschwellen, provoziert entzündliche Prozesse und fördert über diesen Mechanismus ebenfalls die Entstehung von Asthma.

Richtiges Atmen ist also nicht nur für das Eisbaden wichtig, sondern generell für die Gesundheit

Wer ständig falsch atmet, riskiert viel. Jetzt atmet ja Gott sei Dank nicht jeder hektisch und schnell. Aber viele atmen doch recht unkoordiniert, atmen zu oberflächlich, nicht tief genug oder atmen ständig durch den Mund. Ganz zu schweigen von denen, die in der Nacht schnarchen und Atemaussetzer haben. Auch das verändert die Cortisolausschüttung und birgt wahnsinnig viele gesundheitliche Risiken, wenn man da nichts dran ändert.

Wir sind überwiegend nur Wärme gewöhnt, sitzen in beheizten Räumen, tragen dicke Klamotten, wickeln uns abends in warme Decken, duschen warm/heiß… Kälte ist für viele ein unerträglicher Zustand geworden. Kälte wird schlecht toleriert. Dadurch, dass wir immer nur Wärme gewöhnt sind, verliert unser Körper mehr und mehr die Fähigkeit, sich unterschiedlichen Temperaturen anzupassen. Es fällt uns dann entsprechend schwer, unsere warme Komfortzone mal zu verlassen und uns der ungeliebten Kälte auszusetzen.

Dabei hat Kälte viele tolle Vorteile

  • Durch das kalte Wasser beim Eisbaden ziehen sich die Gefäße zusammen, das Blut zentriert sich, wodurch die inneren Organe wesentlich besser durchblutet werden.
  • Nach dem Eisbaden setzt reflektorisch die Durchblutung der Gefäße und der Haut ein und erhöht so die Spannkraft der Gefäße und der Haut.
  • Durch die vermehrte Ausschüttung von Zytokinen hat die Kälteanwendung eine antientzündliche Wirkung und einen sehr positiven Effekt auf das Immunsystem.
  • Einen ebenfalls positiven Effekt hat Eisbaden auch auf die Hormone, auf die Neurotransmitter und auch auf die Schilddrüse. Diese schüttet mehr Hormone aus Zwecks Wärmeregulation und Energiegewinnung. Aus diesem Grund macht das Baden im Eiswasser munter, wach und konzentriert.
  • Auch die Mitochondrienproduktion wird angeregt, so dass langfristig mehr Energie zur Verfügung steht. Der Vagusnerv wird aktiviert und gestärkt, so dass langfristig Regeneration, Ruhe, Entspannung, Ausgeglichenheit und Stressregulation gefördert wird.
  • Die verbesserte Regenerationsfähigkeit kommt auch Sportlern zu Gute, da die Muskulatur wesentlich besser durchblutet und mit Sauerstoff, Nährstoffen, Aminosäuren versorgt und Milchsäure abgebaut werden kann.

Welche Kontraindikationen gibt es für’s Eisbaden?

Es gibt aber auch Kontraindikationen fürs Eisbaden – Morbus Basedow, Fieber, dekompensierte Herzkrankheiten. Hier sollte immer ein Gespräch mit dem stattfinden, der das Eisbaden anleitet.  

Da die Schilddrüse die Wärmeregulation übernimmt und das TSH steigert, sobald uns kalt ist, kann bei Menschen mit einer Schilddrüsenüberfunktion das ganze noch mehr angekurbelt werden. Ein erhöhter TSH sorgt dafür, dass mehr vom Schilddrüsenhormon T4 freigesetzt wird, um darüber Wärme zu generieren. Bei einer Überfunktion der Schilddrüse, einem Morbus Basedow, kann das Herzrasen, Kaltschweißigkeit, zittern verursachen und Stress auslösen. Daher sollten Personen mit einer schlecht eingestellten, überfunktionalen Schilddrüse auf Eisbaden verzichten.

Warum man bei Fieber nicht Eisbaden sollte, erklärt sich wohl von selbst.

Um sich ans Eisbaden zu gewöhnen, sollte man mit kaltem Duschen beginnen

Tägliche Wechselduschen bieten sich gerade zu an, um den Körper an das kalte Wasser zu gewöhnen. Beim Duschen kann man zum Beispiel mit kaltem Wasser abschließen. Das hat den Vorteil, dass die Umgebungsluft sich nicht so kalt anfühlt, wie nach dem warmen duschen. Man kann sich Kneipp-Anlagen suchen und dort Wassertreten mit kaltem Wasser machen. Auch das bereitet den Körper sehr gut vor. Wer nicht unbedingt mit kaltem Wasser beginnen möchte, der kann die Raumtemperatur dauerhaft (im Winter) auf 19-20 Grad einstellen. Man kann sich mal bewusst der Kälte draußen stellen. Auch der Besuch einer Kältekammer wäre eine gute Vorbereitung. Allerdings fühlt sich die trockene Kälte der Kältekammern komplett anders an als die nasse Kälte.

Menschen, die schlecht den Kopf abschalten können, die sich schlecht fokussieren können, profitieren sehr gut vom Eisbaden. Die Konzentration liegt erst einmal auf der Atmung und natürlich auf einem selbst. Kommt man mit kaltem Wasser in Berührung, bleibt einem oft erst einmal der Atem weg. Beim Eisbaden sollte die Luft natürlich nicht angehalten werden. Das ist auch der Grund, warum vorbereitende Atemübungen wichtig sind. Betritt man das Wasser, muss der Fokus direkt auf der Atmung liegen. Der Kopf hat gar keine Zeit sich um andere Dinge zu kümmern, als um das Atmen.

Die Atmung unterliegt dann meiner eigenen Kontrolle, so dass man sehr bei sich ist. Oftmals haben wir das Gefühl von „bei sich sein“ verloren, über das Eisbaden besteht die Möglichkeit diese Fähigkeit zurück zu erlangen und wieder zu erlernen.

Mein Fazit

Ich kann Eisbaden wirklich sehr empfehlen. Man geht über seine persönlichen Grenzen hinaus, lernt sich und seine Fähigkeiten neu kennen, lernt sich zu fokussieren und die Umgebung auszublenden. Es ist eine tolle Erfahrung, mit einem großartigen Gefühl nach dem Eisbaden.

Wichtig ist, dass man in öffentlichen Gewässern nie alleine ins Wasser geht, vor allem nicht als Ungeübter. Man sollte sich immer jemanden an seine Seite nehmen, der Acht gibt, dass einem nichts passiert. Der Schreck über die ungewohnte Kälte kann einen auch mal ins straucheln bringen oder den Atem rauben. Wer auf Nummer Sicher gehen möchte, dem würde ich immer empfehlen zu Beginn einen Workshop zu besuchen. Es gibt viele tolle, sehr empathische Wim Hof Instructors, die überall verteilt in Deutschland, Österreich, Polen etc. Workshops anbieten. Sporadisch biete auch ich Workshops an, bin aber kein Wim Hof Instructor.

Alexandra Nau ist Heilpraktikerin, 1. Vorsitzende des Biochemischen Vereins in Velbert-Neviges und hat insgesamt vier Bücher zum Thema ganzheitliche Gesundheit in den Buchhandel gebracht. Sie interessiert sich seit vielen Jahren für das Thema Eisbaden, ganzheitliche Gesundheit, Atmung, Hormone, Schilddrüse, Mitochondrien, Schmerzen/Schmerzbehandlung.

Bücher Alexandra Nau